4.0 Farbwahrnehmung

«Farbe ist nicht einfach da, ist nicht grundsätzlich eindeutig gegeben. Sie ist nicht etwas Selbständiges, worüber nachzudenken nicht lohnt, sondern die Farbe lebt: bewegt sich, agiert, hängt ab und macht abhängig, wirkt, ist mächtig, kann sowohl dienen als auch überwältigen.» (J.Albers)

1. Farbe ist nicht in erster Linie ein physikalisches, sondern vor allem ein psychologisches Phänomen.

Die Farbe wird von den meisten Menschen nicht nur begrifflich empfangen, d.h. in den drei Bestimmungen der Farbe Buntheit, Intensität und Helligkeit, sondern sie wird stets auch emotional assimiliert. Farben haben eine starke psychologische Wirkung auf den Menschen. Seit jeher wurden ihnen bestimmte Eigenschaften und symbolische Werte zugeordnet.

«Blau zeigt Sanftheit, weist in die Ferne und ist kalt. Gelb ist immer hell und bringt etwas Strahlendes mit sich. Grün ist in seinen Differenzierungen eine vegetative Farbe und wirkt angenehm auf das Auge. Orange vereinigt in sich das Warme und das Helle, hat Sonnencharakter. Der Reiz des Rotblauen belebt nicht sowohl. als das er unruhig macht.» (J. Pawlik, Theorie der Farbe)


Sollte Dir ein Gedanke zu dem Text einfallen, dann schicke ihn mir bitte zu. ⇒ Vielen Dank.


Die Farbenpsychologie hat sich eingehend mit der emotionalen Farberfahrung befasst und festgestellt, dass es neben nur subjektiven Gefühlstönen auch solche gibt, die allgemein als gleich oder äußerst ähnlich empfunden werden.

Sehr weit ausgebaut wurde die Erfahrung der psychologischen Wirkung der Farbe von Max Lüscher. Er hat mit Hilfe einer Farbskala von 8 Farben einen umfassenden Farbtest entwickelt, der weltweit große Bedeutung erlangt hat. (Kleiner Lüscher-
Test von Prof. Dr. Max Lüscher, Testverlag Basel)

In vielen Kulturkreisen werden den einzelnen Farben bestimmte Symboleigenschaften zugeordnet, die vielfach mit den gesellschaftlichen Klassen oder Kastenhierarchien verbunden wurden, z.B. in China. In der christlichen Religion haben einzelne Farben z.B. Purpur oder Violett, bestimmte Zuordnungen erfahren.

Der goldgelbe Schein der Heiligen ist das Zeichen für ihre spirituelle Erleuchtung.
Getrübtes Gelb ist Ausdruck von Neid, Verrat, Zweifel und Misstrauen.
Reines helles Rot bedeutet vergeistigte Liebe.
Im Purpurrot, der Farbe der Kardinäle, vereinigt sich weltliche und geistige Macht.
Blau ist für viele Christen Symbol für den Glauben und die unauslöschliche Hoffnung.
Fruchtbarkeit und Befriedigung, Ruhe und Hoffnung sind Ausdruckswerte des Grün.
Violett ist die Farbe der nicht wissenden Frömmigkeit.
In unserem Kulturkreis entspricht Schwarz einerseits Trauer und Tod, andererseits aber auch Vornehmheit und Eleganz.
In Vorderasien hingegen bedeutet Schwarz Freude und Heiterkeit.

So können wir problemlos in das Zitat von J. Albers einstimmen:
2. Wir sehen Farbe fast nie als das, was sie ist; Farbe ist deshalb das relativste Medium in der Kunst, und es gibt nie nur eine einzige Lösung für visuelle Formulierungen.

3. Unser Farbgedächtnis ist – im Vergleich zum Tongedächtnis – sehr schlecht.

«Wenn jemand Rot sagt und eine Farbe damit bezeichnet und wenn fünfzig Personen zuhören, darf man erwarten, dass 50 verschiedene Rot in ihrem Bewusstsein auftauchen. Man darf auch sicher sein, dass all diese Rots verschieden sind. Selbst wenn eine Farbe spezifiziert wird, eine Farbe, die alle Zuhörer unzählige Male gesehen haben, wie z.B. das überall gleichbleibende Rot des Coca-Cola-Zeichens, werden sie immer noch an verschiedene Rot denken. Selbst wenn das rote Coca-Cola-Zeichen mit dem weißen Namenszug in der Mitte vorgeführt würde, so dass jeder auf das selbe Rot blickt, mögen zwar alle das selbe Netzhautbild haben, doch niemand kann mit Sicherheit wissen, ob sie dieselbe Wahrnehmung haben.» (Zitat J. Albers)

 

4.1 Farbbeschreibung
Wissenschaftlich gesehen lassen sich alle Farben durch Messung der Wellenlänge und der Höhe des Ausschlages der Wellen präzise beschreiben. Der Mensch muss jedoch bei der Wiedergabe des Gesehenen drei verhältnismäßig ungenaue Begriffe benutzen:

1. Farbton
Der Farbton bezeichnet die Farbe als solche, umreißt gleichzeitig eine Charakterisierung. Er wird oft von Materialien oder Stoffen hergeleitet, die diesen Farbton tragen, z.B. von Mineralien oder Tieren. Die Purpur-Laus lieferte früher den begehrten Farbstoff Purpur.

Die Grundfarben Rot, Blau, Gelb, und die ersten Mischfarben Grün, Violett und Orange werden allgemein verwendet. Jeder Farbton steht in Verbindung mit der Wellenlänge des reflektierten Lichtes. Für Farbton taucht auch oft der Begriff Farbklang auf, der bereits impliziert, dass eine Farbe nicht allein erscheint, sondern immer in ihr Umfeld eingebettet ist, und insofern in einer Wechselwirkung mit einer anderen Farbe erscheint. Vergleichbares finden Sie in der Akustik.

Es sind mittlerweile eine Vielzahl von Farbskalen für die Medien, und für die verschiedenen Drucktechniken, fürs Internet, für Film und Fernsehen sowie für die Bildbearbeittung im Computer entstanden, um zu einer präziseren Definition einer Farbe zu kommen, denn das menschliche Auge ist immer subjektiv.

2. Helligkeitsgrad
Der Helligkeitsgrad bezeichnet die scheinbare Intensität der Farbe, ob leuchtend oder dunkel. Gelb wird als hell empfunden, Blau hingegen als dunkel. Auch hier können Sie einen Vergleich mit der Akustik ziehen: Klänge können leise oder laut gespielt werden. Vielleicht verfügt die Musik hier über noch viel mehr Feinheiten als die visuelle Kunst.

3. Sättigung
Die Sättigung bezieht sich auf die Reinheit oder Fülle einer Farbe, also auf den scheinbaren Weißanteil in der Mischung. Ein tiefes Blau nimmt man als gesättigte Farbe wahr. Ein Rosa ist die ungesättigte Farbe von Rot. Dabei bleibt die genaue Beschreibung der Farbe abhängig von der individuellen Fähigkeit, die Farbe richtig zu sehen.

Die im Menschen vorhandene Wahrnehmungsorganisation erschwert jedoch ein objektives Farbensehen durch einige Mechanismen, die wir erklären wollen.
Für eine objektive Definition von Farbe in den Medienberufen werden unterschiedliche Messmethoden mit Densitometern angewendet, die die Lichtqualitäten, also die Wellenschwingungen des reflektierten Lichtes, exakt messen und in vergleichbare Daten umsetzen.

Das menschliche Auge muss sich mit folgenden Überlegungen und Objektivierungen auf der Basis von Erfahrungen auseinander setzen:

a. Umfeldbeeinflussung
Wie bereits im Kapitel Bezugssysteme (2.1.5) unter den allgemeinen Wahrnehmungskriterien festgestellt wurde, ist die Wahrnehmung einer Farbe von dem Umfeld abhängig, in dem sie uns dargeboten wird. Die nebenstehenden Abbildungen zeigen, dass das Umfeld einer Farbe entscheidend die Wahrnehmung dieser Farbe beeinflusst.

Genauer gesagt: Jeder Hintergrund verschluckt oder subtrahiert seinen eigenen Farbwert von den Farben, die er trägt oder umschließt und somit beeinflusst.

b. Psychologische Faktoren
Farbe ist immer eine mit emotionalen Wertungen belastete Wahrnehmung, und das erschwert uns eine physikalisch objektive Beurteilung der Farberscheinung.

c. Farbkontrast und Lichtwert
Die unterschiedliche Sättigung von Farben wirkt für das Auge verwirrend.
Vor allem dann, wenn kontraststarke Farbtöne nach der Helligkeit unterschieden werden sollen.

d. Faktor Simultankontrast
Die Erscheinungen des Simultan- oder des Sukzessivkontrastes machen
erhebliche Schwierigkeiten, wenn man versucht, objektive Helligkeitsstufe zu erfahren.

 

 

 

 

12-teiliger Farbenkreis nach Runge

 

4.2 Farbverwandtschaftsbereich

Die drei Grundfarben sind Rot, Gelb und Blau. Alle anderen Farben könnten rein theoretisch aus diesen Farben ermischt werden.
Die Mischung kann additiv erfolgen, das heißt verschieden farbige Lichter werden zusammen projiziert und dort wo das Licht z.B. auf eine Leinwand auftrifft, addieren sich alle Lichtmengen zu einer neuen Farbe, oder die Mischung kann subtraktiv erfolgen, weil bei der Vermischung von Körperfarben (Pigmente) immer mehr Licht von den zusätzlichen Pigmenten subtrahiert wird. Wer in der Schule malen gelernt hat, weiß das, je mehr Farben beigemischt werden, desto eher entsteht ein Farbton in der Nähe von Schwarz oder Dunkelbraun.

Bei jeder Mischung werden die ermischten Farben dann auch irgendwie den Grundfarben in einigen Eigenschaften mehr oder weniger ähnlich sein. Das nennt man dann Farbverwandtschaft.
Der Verwandtschaftsbereich einer Farbe wird im wesentlichen von ihrer Angleichungsfähigkeit (Assimilationsfähigkeit nach…) bestimmt. Er wird angegeben durch den Umfang eines Farbbereiches, der von einer Sekundär- oder Grundfarbe dominiert wird, der seine Grenzen an den wesensverschiedenen Nachbarfarben des Farbenkreises, durch Schwarz oder Weiß, durch Grau oder die Komplementär-
farbe findet. Der Verwandtschaftsbereich schließt auch die in der Farbe selbst enthaltenen Helligkeits- oder Dunkelstufen, die farbhellen Grade einer rein bunten Qualität mit ein.

GELB:
Der Verwandtschaftsbereich von Gelb ist sehr eng. Jede Farbvermischung mit Gelb ergibt eine Farbe, die nicht mehr als Gelb empfunden wird, ausgenommen ganz geringe Mengen Orangerot. Mischt man nur ein wenig Blau, Grün oder Schwarz hinzu, so zählt man es bereits zu Grün. Bei der Mischung mit einer kleinen Menge Rot ist es sofort Orange. Gelb verliert am schnellsten seinen eigenen Charakter.

GRÜN:
Dagegen ist der Verwandtschaftsbereich von Grün sehr groß. Vom hellen Gelbgrün spannt sich der Bogen bis hin zum dunklen Blaugrün, dazu kommt eine ganze Reihe von oliv-grünen Farbtönen.

ROT:
Der weite Rot-Orange-Bereich umfasst eine Vielzahl von Farbnuancen zwischen Gelb und Rot. ein genaues mittleres Orange ist nur schwer zu bestimmen. Dieser Verwandtschaftsbereich enthält keine gedämpften Farbtöne, denn die Brauntöne bilden einen eigenen Farbbereich. Der Farbbereich Rot beginnt beim Orangerot und geht bis hin zum Violett.

BLAU:
Auch der Verwandtschaftsbereich Blau ist verhältnismäßig eng. Er besitzt jedoch den größten Hell-Dunkel-Umfang der rein bunten Farben. Ebenso gibt es eine Vielzahl grau-blauer Farbtöne.
Violett oder Lila selbst besitzt wiederum einen relativ großen Farbbereich. Er spannt sich zwischen den elementaren Gegensätzen Rot und Blau. Ein mittleres Violett ist schwer zu bestimmen.

Da sich unser Leben immer in einem Farbraum abspielt, gibt es keine einzige Farbe ohne eine Beeinflussung von einer anderen. Auch in ganz weißen Räumen spielt sich das Sonnenlicht oder die Beleuchtungskörper haben irgend einen Farbwert, sind kalt oder warm etc. Nur für bestimmte Versuche in den Labors werden Raumsituationen oder Black-Boxes geschaffen, in denen zusätzliche Farben ausgeschlossen werden können. Alle Messgeräte für Farben enthalten eine solche kleine Black-Box, die die nebenstehenden Farben ausschließt.
Jedoch im normalen Leben sind immer viele verschiedene Farben anwesend, die unterschiedlich miteinander konkurrierend auf uns einwirken. Darum sind alle Facetten der gegenseitigen Beeinflussung von höchstem Interesse. Die stärksten Effekte bietet immer der Kontrast. In den Kontrasten können aber auch ganz minimale Auswirkungen studiert werden.

 

4.3 Kontrast-Arten der Farben

4.3.2 Der Farbe-an-sich-Kontrast

Die rein bunten Farben Gelb, Rot, Blau ergeben den stärksten Ausdruck des Farbe-an-sich-Kontrastes. Die Wirkung ist immer bunt, laut, kraftvoll und entschieden. Die Stärke der Kontrastwirkung nimmt ab, je mehr sich die verwendeten Farben von den drei Grundfarben entfernen.

4.3.2 Hell-Dunkel-Kontrast

Um zwischen größerer und geringerer Lichtintensität verschiedener Farbtöne unterscheiden zu können, muss man schon ein sehr gutes Auge haben. Nur sehr wenige sind in der Lage, größere oder kleinere Helligkeitswerte bei unterschiedlichen Farben zu erfassen.

Es gibt einen Trick, mit dem man sich helfen kann, die unterschiedlichen Helligkeitswerte selbst von Komplementärfarben festzustellen, auch wenn die Augen direkt versagen.

Ein Versuch zum Erkennen: Nehmen Sie sich zwei Farbpapiere, z.B. ein kräftiges Rot und ein leuchtendes Blau. Legen Sie Rot mit einer kleinen Ecke über das Blau. Fixieren Sie die Überlappung für circa eine Minute. Dann ziehen Sie das rote Papier schnell zur Seite. Wenn jetzt die Stelle des blauen Papiers, über dem die rote Ecke gelegen hat, heller erscheint als das sonstige Papier, dann ist das rote Papier dunkler. Versuchen Sie es auch einmal umkehrt, oder auch mit anderen Papieren.

Der größte Hell-Dunkel-Kontrast ist Schwarz und Weiß. Dazwischen spannen sich eine Unzahl von Grau-Tönen, die schnell erkannt werden können.
Die Helligkeiten der Farben werden leicht falsch eingeschätzt, weil auch eine Reihe psychologischer Faktoren mitschwingen. So wirken kalte Farben oft durchsichtig, leicht und heller, als sie eigentlich sind; andererseits wirken die warmen Farben wegen ihrer Undurchsichtigkeit dunkler als sie sind.

Zwischen Gelb und Violett liegt der stärkste Hell-Dunkel-Kontrast der rein bunten Farben.

4.5.3 Kalt-Warm-Kontrast

Die Temperaturbezeichnung für Farben ist den meisten Menschen geläufig. Weniger bekannt ist jedoch, dass dieses Phänomen ausführlich wissenschaftlich untersucht wurde. Dabei hat sich unter anderem herausgestellt, dass Blaugrün den Impuls der Blutzirkulation dämpft, also Kälte vermittelt, während Rotorange zu deren Aktivierung anregt, also Wärme auslöst. Zu den warmen Farben werden Gelb über Orange und Rot bis Rotviolett gezählt. Zu den kalten Farben gehören von Gelbgrün an der ganze Grünbereich über Blau bis hin zu Violett. Diese Zuordnung kann auch irreführen, denn die Temperaturempfindung hängt sehr stark von der Kontrastierung mit anderen Farben ab.
Nur Blaugrün und Rotorange als Pole des Kalten und Warmen wirken immer kalt bzw. warm.

4.3.4 Komplementär-Kontrast

Als Komplementärfarben werden diejenigen Farben bezeichnet, die sich bei additiver Farbmischung mit Lichtfarben zu Weiß ergänzen (Lichtsummation) und bei subtraktiver Farbmischung einen undefinierbaren Grauton kurz vor Schwarz ergeben (Lichtabsorption).

«Zwei komplementäre Farben sind ein seltsames Paar. Sie sind entge-
gengesetzt, fordern sich gegenseitig, steigern sich zu höchster Leuchtkraft im Nebeneinander und vernichten sich in der Pigment-Mischung zu Grau oder in der Lichtmischung zu Weiß – wie Feuer und Wasser.» (Itten)

Wenn man eine Farbe länger fixiert und dann auf eine weiße Wand schaut, erscheint vor den Augen ein Nachbild, das immer die komplementäre Farbe enthält. Der durch die visuelle Wahrnehmung hervorgebrachte Simultan- oder Sukzessivkontrast arbeitet immer mit der Komplementärfarbe. Das hängt sehr eng mit dem Wirkungsmechanismus der Sinnesrezeptoren in der Netzhaut zusammen. Wenn die Rezeptoren für Farbe über eine längeren Zeitraum nur für eine Farbe benutzt wurden, dann arbeiten sofort die unbenutzten, nachdem die stark benutzten entlastet wurden. Könnte als Reaktion zum Ausgleich erklärt werden.

Die starken und am meisten untersuchten Komplementär-Paare haben auch ihre Besonderheiten:

Gelb ­– Violett enthält den stärksten Hell-Dunkel-Kontrast,
Rotorange – Blaugrün enthält den stärksten Kalt-Warm-Kontrast,
Rot – Grün sind (als reine Grundfarbe) gleich hell.

Wenn alle Farben gleichmäßig in einem Farbenkreis fließend dargestellt werden, ähnlich wie bei einem Regenbogen oder einem Spektralstreifen mittels eines Prismas, dann sind sich in diesem Farbkreis immer die gegenüber liegenden Farben komplementär.

 

4.3.5 Qualitäts-Kontrast

Als Qualitäts-Kontrast wird der Gegensatz zwischen gesättigten, leuchtenden Farben zu trüben, stumpfen Farben empfunden.

Sobald die rein bunten Farben aufgehellt oder verdunkelt werden, verlieren sie deutlich an Leuchtkraft.  > Siehe oben stehende Abbildung.

4.3.6 Quantitäts-Kontrast

Der Quantitäts-Kontrast bezieht sich auf das Größenverhältnis. Die Farbwirkung verändert sich stark mit den unterschiedlichen Proportionen, vor allem, wenn zusätzlich Komplementärfarben nebeneinander stehen. Das hängt vor allem davon ab, dass die Wirkungsintensität oder die Lichtwerte der Farben verschieden sind.

Wie die nebenstehende Abbildung zeigt, hat Goethe für diese Lichtwerte die einfachsten Zahlenverhältnisse aufgestellt, die jedoch nur Annäherungswerte darstellen: Gelb : Orange : Rot : Violett : Blau : Grün verhalten sich
wie 9  zu  8  zu  6  zu  3  zu  4  zu  6

Die Werte der komplementären Farben lauten dann:
Gelb : Violett = 9 : 3
Orange : Blau = 8 : 4
Rot : Grün = 6 : 6

 

4.4 Nachbild

Im Kapitel 2.2.2 haben wir uns bereits mit der Erscheinung des Nachbildes befasst. Sie hängt mit der Anpassungsfähigkeit des Auges an unterschiedliche Lichtverhältnisse zusammen. Das nennt man Adaption. Der dabei ablaufende Mechanismus führt dazu, dass wir das Nachbild, den farblosen und den farbigen Simultankontrast und den Sukzessivkontrast erleben können.

An dieser Stelle soll nur so viel gesagt werden, dass die Netzhaut zum Sehen einen Sehstoff produziert, und zwar in jeder Sehzelle, der bei jedem Lichtreiz und besonders bei kontraststarken Reizen unterschiedlich verbraucht wird. Dabei versucht das Auge die Menge des Sehstoffes innerhalb der Retina auf verschiedene Zellen zu verteilen. Die Regeneration des Sehstoffes benötigt immer eine gewisse Zeitspanne. Diesen Zeitraum können wir selbst erleben, in dem wir einmal die Zeitspanne messen, in der ein Nachbild wieder verschwindet oder in der sich die Augen wieder an die Helligkeit gewöhnt haben, wie es nach einem Kinobesuch geschieht.

4.4.1 Farbloser Simultan-Kontrast

Den farblosen Simultan-Kontrast zeigt die oben stehende Abbildung. Die zwischen den schwarzen Feldern durchlaufenden Linien sind überall gleich weiß, obgleich der Betrachter an den Kreuzungsstellen graue Flecken wahrnimmt. Fixiert man eine solchen grauen Fleck, verschwindet er sofort.

Eine weitere Erscheinung des farblosen Simultan-Kontrastes zeigt die unten stehende Abbildung. Beim Betrachten kann man beobachten:
«Graue Bilder erscheinen heller auf schwarzem als auf weißem Grund und erscheinen in solchen Fällen, als ein Helles auf dem Schwarzen größer als ein Dunkles auf dem Weißen kleiner.» (Goethe)

 

 

 

 

 

 

 

Farbloser Simultankontrast

4.4.2 Farbiger Simultan-Kontrast

Das nebenstehende Bild zeigt Zinnoberrot auf Weiß und das gleiche Rot auf Schwarz. Das Phänomen kennen wir im Prinzip bereits. Hier kommt jedoch noch eines hinzu:

Das Rot wirkt auf dem Schwarz nicht nur kräftiger (durch leichte Aufhellung des farblosen Simultankontrastes), vielmehr macht es sich auch größer. Es «strahlt» sozusagen über seine Ränder hinweg. Dieses scheinbare Sich-Ausbreiten einer Farbe über die Grenzen des wirklichen Farbfeldes hinaus nennt man Irradiation.

Die folgende Abbildung zeigt hellgraue Flächen von gleicher Helligkeit, einmal auf blauviolettem und einmal auf gelbem Grund. Man kann deutlich sehen, dass das Grau nicht mehr neutral Grau wirkt, sondern von dem Charakter der Komplemen-
tärfarbe annimmt. So wirkt das Grau auf dem Blau «violett-gelblich». Das Grau auf dem Gelb überzieht sich mit einem «blau-violetten» Schleier.

Reine Farben haben immer die Tendenz, sich gegenseitig nach ihrem Komplement hinzu färben.
Die Wahrnehmungsorganisation hat eben die Tendenz, einen Ausgleich zu schaffen, damit die Retina entlastet werden kann.

Hering zeigte, dass Auge und Gehirn das mittlere Grau verlangen oder beunruhigt werden, wenn es nicht vorhanden ist.
Wird ein mittelgraues Feld betrachtet, vor einem grauen Hintergrund, dann erscheint kein Nachbild, das verschieden ist von dem mittleren Grau.
Dies beweist, dass das mittlere Grau dem geforderten Gleichgewichtszustand unseres optischen Sinnes entspricht.

Viele Beispiele zeigen, dass sich der farbige Simultan-Kontrast aus zwei Veränderungen zusammensetzt: Einerseits besteht er aus einer Veränderung in der Helligkeit und zum anderen aus der gegenseitigen Beeinflussung. Dabei kann diese Erscheinung als Flächenbeeinflussung oder als Randbeeinflussung auftreten.

4.4.3 Sukzessivkontrast

Machen wir zunächst einen Versuch mit der neben stehenden Abbildung. Fixeren Sie die Farben links, den gelben Querstreifen auf Ultramarinblau und blicken nach einer Weile auf die beiden senkrechten Streifen rechts daneben, Karminrot und Grün.

Es kann folgende Veränderung festgestellt werden: Über das Rot und das Grün zieht sich quer ein Streifen hinüber. Das Rot wird in der Mitte in ein leicht violettstichiges Magenta verändert, das Grün wird in ein Grünblau abgewandelt. Oberhalb und unterhalb des erscheinenden Querbalkens wirkt nun das Rot deutlich als Zinnoberrot und das Grün wird Gelbgrün. Der gleicher Versuch kann auch umgekehrt durchgeführt werden.

«Zwar werden wir bemerken, dass diese optischen Farbenbilder im Vergleich zum Eindruck von Pigmentfarben in ihrer Lichtnatur diffuser und gewichtslos, weil sie immateriell erscheinen, also einen gewissen unwirklichen Charakter haben. Der qualitative Eindruck aber ist derselbe.» (Didaktische Farbenlehre, J.W. Goethe)

 

4.5 Dimensionen der Farbe

4.5.1 Oberflächenfarbe – Flächenfarbe – Raumfarbe

Farben erscheinen uns in unserer Umwelt in unterschiedlichen Dimensionen. Unter normalen Wahrnehmungsbedingungen erscheinen Gegenstandsfarben verhältnismäßig opak, sozusagen an oder auf der Gegenstandsfläche haftend. Gegenstand und Farbe sind gewissermaßen miteinander verwachsen, ein grünes Blatt, ein roter Ball, ein brauner Stuhl und so weiter. Diese Farben nennen wir Oberflächenfarben

Verändern wir die Situation:
Blicken wir durch eine kleine Öffnung auf einen Gegenstand, der größer ist als unser Blickfeld, so kann die Farbe einen neuen Charakter bekommen. Sie wirkt irgendwie durchsichtiger und weniger deutlich lokalisiert, dagegen eher flächen- oder filmhaft. Wir erleben die Farbe als Flächenfarbe.

Wenn wir zum blauen Himmel aufschauen oder in eine durchsichtige farbige Flüssigkeit schauen, so scheint die Farbe den gesamten Raum auszufüllen. Sie ist völlig durchsichtig (transparent) und gar nicht mehr flächenhaft. Wir erleben die Farbe als Raumfarbe. (J. Albers hat zu diesem Phänomen besondere Experimente durchgeführt.)

Machen Sie dazu folgendes Experiment.
Stellen Sie sich mit dem Rücken zur Sonne vor den blauen Himmel am späten Nachmittag. Nehmen Sie sich ein Stück Pappe mit, in das Sie ein quadratisches Loch geschnitten haben. Schauen Sie zunächst erst einmal die Qualität der blauen Farbe ohne jedes Hilfsmittel an. Dann schauen Sie durch die Pappe auf den Himmel, die sich im Schatten befindet und den größten Teil des Himmels verdeckt. –
Wie sieht die blaue Farbe jetzt aus? –
Zum Schluss halten Sie die Pappe so, dass helles Sonnenlicht auf den Papprahmen fällt. Beurteilen Sie noch einmal die Qualität der blauen Farbe.
Sie werden feststellen können, dass sich in den unterschiedlichen drei Wahrnehmungssituationen die Farbqualität von einer Raumfarbe zu einer Flächenfarbe und schließlich zu einer Oberflächenfarbe hin verändert.
In jedem Fall steht die erlebte Farbqualität immer in bezug zu dem Umfeld des betreffenden Himmelsausschnittes.

Sicherlich ist es jedem schon aufgefallen, dass Farben leuchten können. Nicht nur Leuchtfarben, sondern auch eine Verkehrsampel z.B. scheint ein völlig anderes Licht auszusenden als ein in gleichen Farben bemaltes Plakat. Nun kann man sagen, der Gegenstand leuchtet, weil er tatsächlich von einem Leuchtmittel erhellt wird, wie bei einer Glühbirne. Diese Erklärung reicht jedoch nicht ganz aus.

Es gibt tatsächlich Gegenstände, die leuchtend aussehen, obwohl sie kein Licht aussenden. Diese Objekte reflektieren das Licht auf unterschiedliche Weise.

Bei den «Leuchtfarben» werden zweierlei Arten unterschieden:
Einerseits die phosphorizierenden Farben. Diese enthalten einen Stoff, der bei Lichteinfall angeregt wird, ebenfalls Licht zu auszusenden. Der Effekt ist dann besonders bei Dunkelheit sichtbar. Andererseits gibt es reflexionsstarke Farben, deren Farbpigmente das Licht besonders reflektieren. Es entsteht in etwa der gleiche Effekt wie bei gläsernen «Rückstrahlern». In der Pflanzen- und Tierwelt gibt es eine Vielzahl von «Leuchteffekten», wobei die meistens Blüten dieser Art vor allem zusätzlich UV-Licht in sichtbares Licht umwandeln können, wodurch die Farbe dann ausgesprochen intensiv leuchtet.

4.5.2 Substanzcharakter der Farbe

Aus alledem ist zu schließen, dass unser Auge Farbe an sich nicht wahrnehmen kann. Farbe ohne Farbträger gibt es nicht (Luft, Gase und Flüssigkeiten sind ebenfalls Farbträger). Die wahrgenommene Erscheinung der Farbe ist immer mitbestimmt von der Art des Farbträgers.

Es ist ein großer Unterschied, ob man gefärbte Seide oder Wolle vor sich hat. Ob eine Farbe auf einem matten oder einem glänzenden Papier eingesetzt wird. Ob die Farbe eine Flüssigkeit ist, ob sie von einer Filmleinwand reflektiert wird oder durch ein farbiges Glas Licht hindurch leuchtet. Ob man einen Schmetterlingsflügel ansieht oder eine exotische Orchideenblüte. Dabei könnte die emittierte Lichtmenge (emittieren = aussenden) völlig gleich sein, der Mensch wird die Farben immer unterschiedlich wahrnehmen, weil einerseits vom Objekt selbst die Leuchtqualität mitbestimmt wird und weil Farbe stets im psychischen Wahrnehmungsarreal angesiedelt ist.

 

4.5.3 Scheintransparenz

Eine besondere Änderung der Wahrnehmung von Farbe zeigt die neben stehende Abbildung.
Bei bestimmter Anordnung von zwei Grundfarben und der zugehörigen Mittelfarbe verändert sich die Erscheinungsweise der Mischfarbe. Sie wirkt dann nicht mehr undurchsichtig, sondern durchscheinend. Das wird vor allem dann eintreten, wenn das Farbfeld zwischen den beiden Grundfarben die genaue Mittenfarbe enthält, und wenn die Farbflächen so zueinander stehen, dass das Auge ein Voreinander begünstigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Diese Beispiele zeigen deutlich, dass sich die «überlappenden» Formen zu bekannten Figuren ergänzen. Das scheint in den Beispielen bewusst gewollt zu sein, kann aber in der Natur willkürlich entstehen oder von Tieren oder Insekten als Mimikri zur Tarnung gegen Fressfeinde eingesetzt werden.

 

Einfache geometrische Formen, die eine Scheintransparenz begünstigen

 

 

 

4.5.4 Das Weber-Fechner-Gesetz

Wenn zwei Malfarben so gemischt werden, dass mehrmals eine gleichbleibende Menge hinzugefügt wird, dann könnte man annehmen, es ergibt eine gleichmäßige Stufung zwischen den einzelnen Mischtönen. Trägt man die gemischten Farben nebeneinander auf, wird eine andere Abstufung wahrgenommen:

Die Abstufung nimmt mit der weiteren Zugabe der zweiten Farbe immer mehr ab und erreicht schließlich einen nicht mehr zu steigernden und unveränderlichen Sättigungsgrad.
Das Gleiche kann man durch Auftragen von gleichen Lasurschichten erzeugen.

Dieses Phänomen kann man auch bei Treppenstufen, die z.B. in einer Badeanstalt ins Schwimmbecken führen feststellen. Weil die «gleichmäßige» Farbmischung (Treppenstufe + Wasserfarbe) keinen linearen Eindruck ergibt, werden die Stufen im Wasser immer «niedriger» gesehen als sie wirklich sind. Hierbei kommt natürlich noch die Lichtbrechung an der Wasseroberfläche hinzu.

Wilhelm E. Weber und Gustav T. Fechner formulierten diesen Tatbestand der Wahrnehmung in dem Gesetz:
Die visuelle Wahrnehmung einer arithmetischen Farbreihe ist bedingt durch eine physikalisch-geometrische Reihung.

Soll also eine gleichmäßige Abstufung erscheinen, so muss in folgenden Maßeinheiten gemischt werden: 1 , 2 , 4 , 8 , 16 , 32 , 64 etc. Diese Zuwachsraten bilden eine geometrisch aufsteigende Kurve, die in eine senkrechte Linie übergeht. Diese Linie zeigt die Sättigung in der Mischung an.

Die Wahrnehmung solcher geometrischen Zuwachsraten vermittelt jedoch eine geradlinige arithmetische Zunahme. Man sieht eine gleichmäßige Abstufung.

 


Georges Seurat, A Sunday on
La Grande Jatte, 1886, Art Institut of Chicago

 

4.5.5 Optische Mischung

Im Vorherigen wurden die Mischfarben durch tatsächliches Vermischen zweier Körperfarben miteinander erzielt. Das gleiche optische Ergebnis kann auch dadurch erreicht werden, wenn viele kleine Punkte der beiden Grundfarben nebeneinander aufgetragen werden, wie es beim Pointilismus von den Künstlern eingesetzt wurde. Die Farben mischen sich bei der Wahrnehmung.

Dabei werden die nebeneinander stehenden Grundfarben gleichzeitig gesehen und in der Wahrnehmung zugunsten einer dritten Farbe aufgelöst. Dies wird optische Mischung genannt.

 

Der Effekt ist abhängig von der Größe der Farbflecken, der Distanz untereinander und dem Abstand des Betrachters von der Farbfläche. Wie leicht zu erkennen ist wirken hierbei verschiedene Tendenzen der Wahrnehmung zusammen, die bereits in den voran gegangenen Texten besprochen wurden.

Im heutigen Vierfarbendruck ist die «optische Mischung» selbstverständliche Notwendigkeit.
Ganz gleich ob Zeitungs-, Kunstdruck oder digitaler Druck, die Mischfarben müssen bei gedruckten Bildern durch kleine Pünktchen von vier Grundfarben Gelb-Cyan-Magenta und Schwarz erzielt werden. Heute werden beim Digitaldruck von Fluidprintern und Laserprintern die kleinstmöglichen Farbtupfer aufgetragen, damit so optimal wie möglich ein visuelles Kontinuum der Farben entstehen kann.

Nebenstehend die Rasterung beim Kupfertiefdruck

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.6 Räumliche Wirkung der Farben

Aus der Farbe selbst ist bereits eine räumliche Wirkung wahrzunehmen. Dabei wirken die Umfelder der Farbe mit. Wie bei den monokularen Tiefenkriterien bereits gezeigt, ist die räumliche Wahrnehmung abhängig von mindestens zwei im Vergleich stehenden Reizkonstellationen.

In der neben stehenden Abbildung sieht man die sechs Farben Gelb, Orange, Rot, Violett, Blau und Grün einmal auf einer schwarzen Fläche und einmal auf einer weißen Fläche.

Im ersten Fall wird deutlich, dass das Gelb nach vorn zu kommen scheint und das Violett in der Tiefe des schwarzen Grundes schwebt. Alle anderen Farben bilden Tiefenstufen zwischen Gelb und Violett.

Im zweiten Fall wird das Violett vom Weiß abgestoßen und scheint nach vorn zu kommen, während das Gelb vom weißen Hintergrund zurückgehalten wird.

Die Tiefenwirkung von Farben lehnt sich darüber hinaus stark an die lebendige Erfahrung des Menschen mit seiner angelernten Wahrnehmung an.

Vordergründig werden vor allem kontrastreiche, rein bunte Farben erlebt. Im Mittelgrund stehen dunkle, getrübte Farben mit geringeren Kontrasten, der Hintergrund wird von Farben gebildet, die hell getrübt sind und sich an ein Blassblau anlehnen.
Diese Staffelung ist uns aus Landschaftsbetrachtungen bekannt.

Im geschlossenen Raum erleben wir eine etwas andere Tiefenwirkung.
Hell und bunt wird als vordergründig wahrgenommen, wohingegen dunkle Mischtöne den Hintergrund ausmachen. Dies hängt mit der erlebten Beleuchtung der Situation zusammen. So ist der Vordergrund meistens gut ausgeleuchtet, der Hintergrund weniger. Auch differenziert unser Auge stärker im Blickpunktbereich. Das über das Blickfeld hinausgehende Umfeld wird nur verschwommen wahrgenommen. Damit werden helle und leuchtende Farben im Raum empfindungsmäßig dem Vordergrund zugeordnet, dunkle und gebrochene Farben eher dem Hintergrund.

Dabei sind die monokularen Tiefenkriterien wichtige Anhaltspunkte. Besonders die Wirkung von Licht und Schatten beeinflusst die Farbwirkung.
Meist wird der kontrastreiche Wechsel von hellen und dunklen Farben im Vordergrund empfunden. Je weiter die Entfernung, desto mehr gleichen sich die Farbtöne an.

 

4.7 Farbkonstanz

Im Abschnitt Wahrnehmungskonstanzen haben wir bereits auf die Erscheinung der Helligkeitskonstanz hingewiesen. Auch die Farbe wird unter bestimmten Umständen als konstant empfunden.

Beispiel: Wird die Beamer-Projektion eines blauen Autos auf eine gelbe Leinwand vorgenommen, erscheint einem normalsichtigen Betrachter das Auto grau. Dieser Vorgang entspricht den bekannten Gesetzen der Lichtmischung. Wenn der Betrachter das Bild des Autos vorher bereits auf einer weißen Leinwand gesehen hat, so nimmt er es auch weiterhin als blau wahr, selbst wenn der Beamer es auf die gelbe Leinwand projiziert.

Der Mensch neigt dazu, ihm vertraute Gegenstände, auch unter verschiedenen Lichtverhältnissen, immer in gleicher Farbgebung wahrzunehmen.

Mit der Zeit seines Lebens hat er die ihm vertrauten Gegenstände unter verschiedenen Lichteinwirkungen gesehen und letztlich gelernt, wie sie «richtig» aussehen. (So wie sie bei weißem Licht erscheinen.) Er greift dann auf seine Gedächtnisfarbe zurück. Diese Erscheinung tritt jedoch nicht grundsätzlich ein.

Unter bestimmten Umständen funktioniert sein Gedächtnis nicht. Bietet man einem Menschen eine ihm vertraute Mahlzeit bei blauer Beleuchtung an, so stößt sie ihn ab. Eine andere Eigenschaft, die in diesen Bereich gehört, weist uns auf die in der Wahrnehmung vorhandene Tendenz zur Assimilation hin. Wird z.B. ein roter Klinkerstein z.T. von der Sonne beschienen und zum Teil von Schatten verdunkelt, so sieht man den Stein meistens trotzdem gleichmäßig rot. Diese Erscheinung tritt jedoch nur dann auf, wenn das Objekt erkennbar und bekannt ist und in Beziehung steht zu anderen Objekten und der Beleuchtung im Umfeld.
Werden die Anhaltspunkte beseitigt, verringert sich die Farbkonstanz oder verschwindet ganz.

Bunte Strandbefestigung in Miölno, Polen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Zu den folgenden Kapiteln: 5.0 Synästhesie und 6.0 Psychologische Faktoren und Wahrnehmung

Sein und Wirklichkeit

Esoterisch-theosophische Interpretation einiger Gedanken von Don Juan.

Don Juan spricht mit Castaneda in dem Buch: Der zweite Ring der Kraft.

CC: „Wer sind die Schwarzen Magier, Don Juan?“
DJ: „Die Schwarzen Magier sind unsere Mitmenschen. Und da du zu ihnen gehörst, bist du auch ein Schwarzer Magier. Denk mal einen Augenblick nach! Kannst Du von dem Weg abweichen, den sie dir vorschreiben? – Nein. Dein Denken und dein Handeln sind auf ewig nach ihren Bedingungen festgelegt. Das ist Sklaverei! – Darum fürchte deine Gefängniswärter, deine Meister! Vergeude nicht deine Zeit und deine Kraft, in dem du Angst vor mir hast!“
CC: Ich wusste, dass er recht hatte, und doch, trotz meiner ehrlichen Zustimmung wusste ich auch, dass meine lebenslangen Gewohnheiten mich unausweichlich auf meinem alten Weg festhalten würden. Tatsächlich, ich kam mir wie ein Sklave vor. –
An anderer Stelle sagt DJ:
„Deine Kenntnis der Welt sagt dir, dass sich im Gebüsch nur umherschleichende Tiere oder Menschen verstecken können. An diesem Gedanken hast du festgehalten, und natürlich musstest du eine Möglichkeit finden, die Welt in Übereinstimmung mit diesem Gedanken zu bringen.“- „Aber ich dachte überhaupt nichts.“ – „Nun, nennen wir es nicht Denken. Es ist eher die Gewohnheit, die Welt stets in Übereinstimmung mit unseren Gedanken zu sehen. Wenn sie dies nicht ist, sorgen wir einfach dafür, dass sie übereinstimmt. (Mit unseren inneren Vorstellungen dessen, was wir wahrgenommen haben, bestimmen wir völlig automatisch das Ereignis.)


Sollte Dir ein Gedanke zu dem Text einfallen, dann schicke ihn bitte mir zu.  Vielen Dank.


Mit unseren angelernten Vorstellungen von den Zusammenhängen der Welt versuchen wir uns das Glück im materiellen Leben zu sichern, obgleich wir vielfach gelesen haben, dass die äußere Ansicht der Welt, die Formseite der Dinge nur Erscheinung, indisch: Maya ist. Nicht umsonst spricht Appolonius von Thyana in der Ersten Stunde seiner Erläuterungen für seine Schüler von der Reinigung des Atemfeldes, von den Komplexen im Unbewussten. Erst wenn die alten Prägungen der Vor- und Ausbildung gelöscht werden konnten, wird sich das positive Karma aus dem aurischen Wesen im Leben offenbaren. Erst dann kann der Mensch seine tatsächliche Wirklichkeit sehen oder hören, ohne sie zugleich mit den alten Bildern aus dem antrainierten Gedächtnis zu überschreiben.
Solange die bestehenden mentalen und emotionalen Bewohner des mikrokosmischen Atemfeldes im Unterbewussten weiter stimuliert werden, bleibt das Wesen Mensch auch an die zugehörigen Kräfte aus dem Jenseits gebunden, ohne einen Schatten ihres Daseins zu erhaschen.
Viele halten ihre jahrtausendalten Traditionen in hohen Ehren, ohne sie ernsthaft  nach ihrer Berechtigung zu fragen. Zahllose Menschen predigen die historischen Gewordenheiten des Lebens, die seit Aristoteles aus den sichtbaren und erfahrbaren Zusammenhängen abgeleitet werden. Auf allen Kontinenten werden in ungezählten Tempeln oder Gotteshäusern irgendwie gearteten metaphysischen Gotteswesen geopfert, die für Schutz, Wohlergehen, Fruchtbarkeit und materiellem Erfolg angebetet werden. Die aus diesem philosophischen Konglomerat zusammengestellten Weltanschauungen werden den Kindern in ihrer Kinderstube eingetrichtert und dann in der höheren Schule erweitert und vertieft. So ist mit Garantie gesichert, damit immer alles beim Alten bleibt. Jeder Erwachsene in Ost und West glaubt an Dogmen der Vergangenheit und verbreitet diese tausendfach vorgeprägten Meinungen bei jeder Unterhalten. Die ganze Weltliteratur der Bestsellerie-Plantagen ist vollgestopft mit dem Unrat historisch verbrämter Lebensvorstellungen. Wie in einer hypnotischen Verabredung ist alle Welt total begeistert davon. Auf diese subtile Weise entsteht unbewusst und ungewollt ein schwarz-magisches Netz aus immer wieder erneut bestätigten, stets bereits veralteten Vorstellungen des Daseins. Von der Kindererziehung, über die Medizin, das kommerzielle Gebaren der Menschen bis hin zur großen Politik – alles tanzt auf diese schleichende Weise ohne einen Schimmer der Ahnung um das Goldenen Kalb, das von den Herren der Welt in ihre mentale bzw. emotionale Mitte gestellt wurde.
Zum zweiten Teil ist zu bemerken, dass schon J. W. Goethe bei seinen Betrachtungen der Sinnesorgane feststellen musste, dass der Mensch schon im Vorgang des Wahrnehmens das Wahrgenommene bewertet und nach seinen Vorbehalten beurteilt. Neuere Untersuchen amerikanischer Neurophysiologen haben ergeben, dass sogar die organischen Voraussetzungen der Sinnesorgane schon eine prinzipielle Selektion des Wahrgenommenen für die Selbsterhaltung bedingen. Das Phänomen MAYA ist wohl tief im Hinduismus vergraben, hat jedoch mit der steten Verbreitung indische angehauchter Esoterik seinen Weg in das euroamerikanische New Age-Denken gefunden, diese Wahrheit wird jedoch, trotz der elektrophysikalischen Erkenntnisse in der Kernphysik, nicht als Er-Scheinung im realen Leben konkretisiert.

DJ: » Vor allem halte ich es für grundfalsch, dass du alles dermaßen ernst nimmst«, sagte er, »Es gibt dreierlei schlechte Gewohnheiten, in die wir immer wieder verfallen, sobald wir im Leben mit ungewöhnlichen Situationen konfrontiert sind.
1. Erstens können wir das, was geschieht oder geschehen ist, leugnen und so tun, als sei es nie geschehen. So machen es die Bigotten.
2. Zweitens können wir alles unbesehen akzeptieren und so tun, als wüssten wir, was geschieht. So machen es die Frommen.
3. Drittens kann ein Ereignis uns zwanghaft beschäftigen, weil wir es weder leugnen noch rückhaltlos akzeptieren können. So machen es die Narren. – Du etwa auch?
– Doch es gibt noch eine vierte Möglichkeit, die richtige nämlich, die des Kriegers. Ein Krieger handelt so, als sei überhaupt nichts geschehen, weil er an gar nichts glaubt, und doch akzeptiert er alles unbesehen. Er akzeptiert, ohne zu akzeptieren, und leugnet, ohne zu leugnen. Nie tut er so, als wisse er, noch tut er so, als sei nichts geschehen. Er handelt so, als ob er die Situation in der Hand hätte, auch wenn ihm vielleicht die Hosen schlottern. Diese Art zu handeln vertreibt die zwanghafte Beschäftigung mit den Dingen.« – Lange schwiegen wir.

Dieser Abschnitt enthält eine kräftige Beschreibung des Wu-wei aus dem chinesischen Schatz der Taoisten. Jeder kann in der Aktualität seines Seins prinzipiell allen Geschehnissen in völliger Neutralität, also ohne jegliche Überprüfung an persönlichen Bedenken und Einwänden, gegenüber treten und sie sang und klanglos abwickeln. Nicht aus Pflichtbewusstsein, nicht Zwanghaft, einfach als den Tatbestand einer neuen exklusiv für ihn persönlich geschaffenen Information. Jede Erfahrung im Feld der Maya bleibt eine Erscheinung in der projektierten Form, die von den Kräften der Welt nur dafür geschaffen ist, den vitalen Akteuren eine Möglichkeit der Erfahrung zu schenken, um ihr Bewusstsein in eine höhere Schwingung zu erheben, letztlich bis in das höchste Seelenfeld.

DJ: »Niemand bringt einen Doppelgänger hervor. Das ist nur eine bildliche Redeweise. Und du, bei all deinem vielen Reden, bist doch den Wörtern hilflos ausgeliefert. Du gehst ihrer Bedeutung auf den Leim. Jetzt meinst du, man bringe den Doppelgänger durch unredliche Tricks hervor, nehme ich an. Aber wir leuchtenden Wesen haben alle einen Doppelgänger. Wir alle! Ein Krieger lernt lediglich, sich dessen bewusst zu sein, das ist alles. Es gibt anscheinend unüberwindliche Schranken, die dieses Bewusstsein versperren. Aber das kann nicht anders sein. Gerade diese Schranken machen das Erreichen eines solchen Bewusstseins zu einer so einzigartigen Herausforderung.« –
CC: »Warum habe ich soviel Angst davor, Don Juan?« –
DJ: »Weil du glaubst, der Doppelgänger sei das, was das Wort besagt, ein Doppelgänger oder ein anderes Ich. Ich gebrauche diese Wörter nur, um den Sachverhalt zu beschreiben.“

Viele esoterisch-wissenschaftliche Autoren beschreiben den Menschen mit einem Ätherkörper und einem Astralkörper. Einige wissen auch davon, dass der Mensch über den Ansatz eines Mentalvermögens verfügt. Der Doppelgänger von DJ weist auf eine damit zusammenhängendes Problem hin. Der Weg zur Erleuchtung erfordert vom Kandidaten, dass er sich Schritt für Schritt aber konsequent dieses eigenen Astralwesens bewusst wird. Doch wie jeder auf diesem Weg in die Seelenfreiheit erfahren muss, entstehen aus dem Unbewussten gerade dann, wenn er dabei erfolgreich wird, etliche gewaltige Behinderungen. Der Zerberus bäumt sich hinter dem Ego auf.
Zudem macht Don Juan an dieser Stelle auf eine für den Euroamerikaner nahezu unüberwindliche Barriere aufmerksam. Die Menschen sind geradezu verbissen, sich an die Begrifflichkeit ihrer Worte zu klammern, die aus ihrer antrainierten materiellen Weltanschauung stammen. Die spontan aus dem eigenen Denken auftauchenden Vorstellungen werden direkt mit den erfassten Sensationen verknüpft und verbauen damit das richtige Erkennen und Verstehen. Die Chance, andere mentale Erkenntnisse zuzulassen, wird in den vorherrschenden Meinungen eingefroren, kristallisiert und stirbt.
Der Doppelgänger ist ein Phänomen des Astralwesens, das bedauerlicherweise  auch eine Spiegelung im Jenseits hervorbringt, das ohne jede bewusste Wahrnehmung das Leben jedes Menschen dominiert. Eigentlich sind alle Menschen unter diesem Gesichtspunkt als Sklaven ihrer eigenen Astralis zu betrachten. Darum ist es für ein intelligentes Handeln aus dem neu erwachenden Seelenbewusstsein ausgesprochen förderlich, sich einen Weg zu erarbeiten, um sich der eigenen Astralis bewusst zu werden. Dieser Weg dahin führt über die klassische Forderung: Mensch erkenne dein Selbst. Bereits Buddha predigte seinen Mönchen, beständig und gerade bei allen noch so gewöhnlichen Verrichtungen des alltäglichen Dasein wachsam zu sein, um die Abhängigkeit von der eigenen Begierdennatur im Stoffbewusstsein einigermaßen erkennen zu können, die ganz besonders aus der Astralis kommt.

CC: Don Juan hatte recht. Ich musste ihnen zugestehen, dass ich wusste, dass es irgend etwas in mir gab, das alles registrierte und sich dessen, was ich tat, bewusst war. Und doch hatte dies nichts mit dem gewöhnlichen Bewusstsein meiner selbst zu tun. Es war etwas anderes, das ich nicht erfassen konnte. – Es ist eine innere Stimme, die dir sagt, was los ist. Und damals sagte sie mir, dass ich zum zweiten Mal erwacht war. Sobald ich aufwachte, war ich natürlich überzeugt, dass ich geträumt haben musste. Offenbar war es kein gewöhnlicher Traum gewesen, aber es war auch nicht eigentlich Träumen gewesen. Daher kam ich zu dem Schluss, dass es etwas anderes gewesen sein musste: Schlafwandeln war es, im Halbschlaf, nehme ich an. Ich konnte es mir nicht anders erklären. – Das, was ich erlebt hatte, war alles andere als ein Traum und ich dürfe mich nicht damit begnügen, es als Schlafwandeln aufzufassen.

Wer in sich akzeptieren kann, dass sein Wesen mit einem Ätherkörper und einem Astralkörper ausgestattet ist, hat die Chance, unter bestimmten Bedingungen in diesen mikrokosmischen Feldern bewusst zu sein. Z.B. tritt der Mensch im Traum mit seinem Astralbewusstsein in die astralen Welten ein, die aktuell von ihm angezogen werden. Ein Forscher, der Sein und Glauben der indischen Saddhus erforscht hat, schreibt, dass einige durch Meditation und langjährige Askese geschulte Saddhus bis in das mentale Bewusstsein vordringen können. Wer fest dazu entschlossen ist und die geeignete Umgebung für sich herstellt, kann sich durch Meditation, Autogenes Training, oder ganz einfach durch Tagträumen in sein ihn umgebendes astrale Feld erheben. Er sollte sich dabei stets dessen bewusst sein, dass auch dort die Erscheinungen nur Erscheinungen sind, keine Wirklichkeiten! Die bereits mehrfach beschriebenen Nahtod-Erfahrungen sind ungewolltes Betreten der jenseitigen Sphären, in den sich zunächst die ätherischen Gegebenheiten noch mit der stofflichen Welt mischen.

DJ: »Heute habe ich nur die Aufgabe, den Nagel einzutreiben, den Genaro abgesteckt hat – nämlich die Tatsache, dass wir leuchtende Wesen sind. Wir sind Wahrnehmung. Wir sind Bewusstsein. Wir sind keine Objekte, wir haben keine feste Konsistenz, wir sind grenzenlos. Die Welt der festen Objekte ist ein Mittel, unsere Wanderschaft auf Erden angenehm zu machen. Sie ist nur eine Beschreibung, geschaffen, um uns zu helfen. Wir – oder besser: unsere Vernunft (unsere rationelle Prägung durch Erziehung und Pädagogik) – vergessen gern, dass die Beschreibung nur eine Beschreibung ist, und so schließen wir die Ganzheit unseres Selbst in einen Teufelskreis ein, dem wir, solange wir leben, kaum entrinnen können.«

Der Mikrokosmos bzw. das aurische Wesen ist ein multiplexes Kraftfeld auf der Basis von Bewusstsein. Im Ätherfeld ist ein ätherisches Bewusstsein, im Astralfeld wirkt ein astrales Bewusstsein, im mentalen Feld denkt ein mentales Bewusstsein und im Stoffkörper kommuniziert ein stoffliches Bewusstsein. In gewisser Weise arbeiten alle mikrokosmischen Bewusstheiten für die verschiedenen Lebensaufgaben unterschiedlich zusammen und aktivieren die entsprechenden Wahrnehmungsmöglichkeiten, Denken, Fühlen, Riechen, Schmecken, Sehen. Es wird allerdings nicht nur der Input geregelt, sondern auch der Output wie z.B. Sprechen oder emotionale Ablehnung über die Astralis, oder das Einspeichern in die den Bewusstheiten zugänglichen Gedächtnisse. Einiges wird in die bereits im Atemfeld aufgebauten Vorstellungen, Werturteile oder Lebensprinzipien nach dem isobaren Resonanzgesetz eingegliedert. Dazu gehören auch die Sinngebungen von Bezeichnungen oder Namen aus der materiellen Weltanschauung. z.B. ist ein Stein hart und schwer, Wasser ist flüssig und nass und Federn sind leicht und weich. Vom Gesichtspunkt des Kernphysikers sind das alles nur Kondensate von subatomarer Energie; wir können auch sagen: alle Dinge der materiellen Welt sind Ab-bildungen aus dem Ätherfeld. Und dabei wird das Ätherfeld direkt und konsequent vom Astralfeld ausgeprägt. Das mikrokosmische Gesamtgeschehen wird vom Gesamtbewusstsein des aurischen Wesens geführt, bis hinein in alle stofflichen Reaktionen, die die Person ausführt. Hat sich der Mensch allerdings methodisch vom stofflichen und ätherischen Sein lösen können, kann der Astralkörper unabhängig und ohne Probleme „durch Wände“ gehen, weil er prinzipiell weder vom Stoff noch vom Äther aufgehalten werden kann. Das Erlebnis ist dann ganz ähnlich der Erfahrung in einem Traum. Nur dass er in dieser bewusst herbeigeführten Situation aktiv handeln kann, im Rahmen des vorbereiteten Settings – Umgebung, Zeitschiene, Mitwirkende, Betreuer etc.

DJ: »Wir sind wahrnehmende Wesen«, fuhr er fort. – »Die Welt, die wir wahrnehmen, ist jedoch eine Illusion. Sie (Maya) ist entstanden durch eine Beschreibung, die man uns seit dem Augenblick unserer Geburt erzählt hat. – Wir sind leuchtende Wesen, sind mit zwei Ringen der Kraft geboren, aber wir benutzen nur einen davon, um die Welt zu erschaffen. Dieser Ring, der sich schließt, bald nachdem wir geboren sind, ist die Vernunft – und ihr Begleiter ist das Sprechen. Gemeinsam hecken die beiden die Welt aus und halten sie in Schwung. Die Welt, die deine Vernunft erhalten möchte, ist also im Grunde eine Welt, geschaffen durch eine Beschreibung und ihre dogmatischen, unumstößlichen Regeln, welche die Vernunft zu akzeptieren und zu verteidigen lernt.
Das Geheimnis der leuchtenden Wesen ist, dass sie noch einen weiteren Ring der Kraft haben, der gewöhnlich nie benutzt wird, den Willen. Die Methode der Zauberer ist die gleiche Methode, wie ihn die normalen Menschen anwenden. Beide haben sie eine Beschreibung (ihrer Welt). Der eine, der normale Mensch, erhält sie mit Hilfe seiner Vernunft aufrecht, der andere, der Zauberer, erhält sie mit seinem Willen aufrecht. Beide Beschreibungen haben ihre Regeln, und die Regeln sind wahrnehmbar, doch der Vorteil des Zauberers liegt darin, dass der Wille umfassender ist als die Vernunft.
Was ich dir jetzt vorschlagen möchte, ist, dass du von nun an deine Wahrnehmung entscheiden lassen sollst, ob die Beschreibung der Welt durch deine Vernunft oder durch deinen Willen aufrechterhalten wird.«

Bei diesen Textabschnitt fällt auf, das DJ darauf aufmerksam machen will, dass der normale Mensch mit seiner Vernunft ein bestehende Weltbild erschafft, das jedoch nicht komplett ist. Das vernünftige Denken der Menschen in den westeuropäisch orientierten Zivilisation auf ihren materialistisch geprägten Gedächtnisspuren aufbaut. Dabei sind Ding oder Abstrakta mit dem Begriff und dem Namen verschmolzen. Dem Denken entgeht mithin, dass alle Sensationen allerdings nur Erscheinung im stofflichen Energiefeld sind, in dem der Mensch sein ganzes Selbst niemals realisieren kann. Die Vernunft – dieses Wort wird hier in der Bedeutung von rationalem Bedenken und Abgleichen an autorisierten Weltanschauungen benutzt, die ein Mensch im Laufe des Erwachsen-Werdens abgespeichert hat, um sich im Konkurrenzkampf des Alltäglichen behaupten zu können. Da er sich der Einfachheit halber stets mit den Oberflächen der Erscheinungen zufrieden gibt, kann er nicht wirklich Kraft wirken, kann er auch niemals sein wahres Selbst erfassen, das aus allen Kraftebenen des Mikrokosmos hervorgebracht wird.
Der Wille bezeichnet eine Kombination aus uneingeschränktem Begehren aus der Astralis und einer ungebrochenen mentalen Wachsamkeit und Ausrichtung auf das gewünschte Ziel, die nicht von äußeren Verstandesargumenten, gesellschaftlichen Bedingungen, Verhaltenskodizes oder Tabus in Frage gestellt wird. Dieses mentale und astrale „Wollen“ ist ein so sein müssen, das aus der ganzen Person klingt und sich dann auch in allen Feldern verwirklicht. In diesem Handeln realisieren sich das autonome Selbstbewusstsein und die damit verbundenen karmischen Aufträge. Dabei wird der Kandidat von seiner sehr aufmerksamen Wahrnehmung geleitet, die, unabhängig von vorgeprägten Anschauungen, alle ihn betreffenden Ereignisse in den Gesamtrahmen des aktuellen Werdens stellt.

DJ: »Der grundlegende Unterschied zwischen einem normalen Menschen und einem Krieger ist, dass der Krieger alles als eine Herausforderung annimmt, während der normale Mensch alles entweder als Segen oder als Fluch auffasst.«

Mit dieser Feststellung wird ein typisches Verhalten der konsumorientierten euroamerikanischen Mitbürger charakterisiert. Allerdings ist sein Kern in dem semitischen „Sündenfall-Konzept“ und den darauf aufbauenden teleologischen Philosophien verborgen. Darum sortieren die in ihrem Einfluss stehenden Menschen, die sie umgebenden Ereignisse und Sensationen stets nach Erfolg bzw. Misserfolg. Viele Menschen wenden sich heute von den religiösen Zwangsmechanismen ab, und sortieren ihre Geschehnisse nach ihrem subjektiven Wohlbefinden oder nach der Kompatibilität mit ihrem aktuellen Überlebenskampf, je nach sozialer Schichtung. Alle Gruppen realisieren ihr Sein und die darin für sie auftretenden Ereignisse als Glück oder Unglück, oder als Vor- bzw. Nachteil.
Dabei werden die Ereignisse immer im Außen wahrgenommen, im materiellen Feld der Erscheinung. Die verursachende Instanz wird offensichtlich immer außerhalb des Wahrnehmenden positioniert. Egal ob es jetzt materielle Gegebenheiten oder Zufälligkeiten analog der Billardkugeln sind oder religiöse Zusammenhänge mit Göttern oder schamanistischen Geistern, es herrscht die kuriose Meinung vor, dass es immer etwas anderes in der Umwelt gibt, was das Geschehnis bestimmt. Besonders die unangenehmen Ereignisse sind immer von der Gesellschaft, anderen Menschen oder Wesen, Geistern oder Göttern verursacht, die dann auch durch angemessene Rituale wieder besänftigt werden müssen.
Alles Leben ist jedoch auch für verbohrte Marxisten und Allah-Gläubige eine Perlenschnur aus ganz konkreten praktischen Erfahrungen, die leichter zu bewältigen sind, wenn die Erlebnisse von Vornherein weder bewertet noch verurteilt werden. Zum anderen sollte einmal jedem klar werden: alle Ereignisse, die den Menschen erreichen, alle mentalen, emotionalen und physischen Sensationen, die von ihm wahrgenommen, sein Denken, Fühlen und Begehren aktivieren, werden immer von dem mikrokosmischen Gesamtfeld angezogen, das von den karmischen Strukturen, polarisiert von seinem aktuellen Sein, Denken, Fühlen und Begehren, eine individuelle Vibration hervorbringt. Das aktuelle Bewusstsein des Menschen ist sich dieses Gesamtzusammenhangs niemals bewusst und unterliegt aus diesem Grunde zahllosen Irrtümern und Täuschungen, vor allem, wenn es darum geht, einen Verursacher zu finden.